Schulzeugs und Wochenende in Lima
Sonntag, 11.11.2012
Die Tage vergehen immer recht schnell und ich finde kaum eine Lücke, um in Ruhe Tagebuch zu schreiben.
Am Donnerstagvormittag war ich in der Schule und bereitete mich auf den Matheunterricht der 10er-Mädchen vor, was gar nicht so einfach war, da ich weder ein anständiges Buch noch genaue Kenntnis über deren Vorwissen zu Exponential – und Logarithmusfunktionen hatte. Ich glaube aber, nach einigen Startschwierigkeiten, habe ich ihre mathematisch eingerosteten Gehirne wieder in Gang gekriegt.
Nach der Schule bin ich dann das erste Mal allein in Lima unterwegs gewesen, da Holger ja mit der zweiten Mädchengruppe in Chorillos war- und ich war stolz auf mich, das ich trotz des sehr verwinkelten Weges durch gleich aussehende Wohngebiete den Weg zu Helga Haus auf Anhieb fand.
Am Freitag hatte ich ‚frei‘. Holger war in Chorillos und Unterricht war an diesem Tag nicht angesetzt. Und was macht man so in Lima an seinem freien Tag?! Man stellt endlich die Bilder in den Schulblog, füllt den Förderantrag für PAD für den Gegenbesuch der Peruaner bei uns auch, antwortet endlich auf Mails…
Zum Glück stöberte mich gegen Mittag Helga in meinem Kämmerchen auf und lud mich zum Mittagessen ein. Wir hielten einen langen Schwatz miteinander, der sich bis zum Kaffeetrinken hinzog. Am Abend dann fuhren wir mit dem Taxi ( für 12 Soles) fast eine Stunde durch die Rushhour ins Colegio San Ursula, einer von Nonnen geführten Schule, in der auch auf Deutsch unterrichtet wird. Aber das war nicht der Grund unseres Besuchs, sondern ein (kostenloses!) Konzert des Madrigalchors von Lima und des limenischen Sinfonieorchesters.
Zu Beginn des Konzerts hielt der deutsche Botschafter eine Rede in fürchterlichem Spanisch, was sogar ich merkte, obwohl ich ja nur wenige Brocken spanisch kann. Irgendwie verstand ich wenigstens, dass das Konzert auch im Gedenken an die Reichskristallnacht stattfand. Danach spielten sie die „Misa a Santa Cecilia“ von Charles Gounod, eine wunderschöne Musik, gut gespielt. Jedenfalls konnte ich mich gut fallen lassen und die wuchtigen Stellen erzeugten Resonanzen in meinem Körper.
Wieder ‚zuhause‘ zogen wir uns bei einem Glas Wein noch einen Tatort mit dem Duo Liefers /Prahl rein und gingen dann kurz vor 1.00 Uhr ins Bett- da stehen die in Deutschland gebliebenen schon wieder auf.
Gestern am Samstag waren wir nochmal in Ruhe shoppen, zuerst bin ich mit Holger auf einen Markt in der Nähe der Schule, dort gab es alles, was es sonst auf der Welt überall auch gibt - falsche und echte Markenware. Ich habe ihn geduldig beim Kauf mehrerer T-Shirt beraten, bat ihn dann aber mit mir auf einen einheimischen Markt zu gehen, was soll ich mit solchem Zeugs? Dort habe für meine liebe fünf Wochen blumengießende Nachbarin eine Tasche und für meine Mutti ganz weiche und auch teure Baby-Alpaka-Wolle gekauft, die hat sie sich gewünscht… für Socken… ich denke sie ist zu schade dazu und wird wohl was anderes werden.
Am Abend waren wir bei einem Kollegen vom Colegio eingeladen … ein sehr kluger und interessanter Mensch, Deutscher, Jude mit weltweitem Lebenslauf, der Bücher (in Spanisch und Englisch) über theoretische Physik schreibt, die Geschichte Perus studiert , 5 oder 6 Sprachen fließend spricht und unterrichtet und trotzdem noch mit Leib und Seele Lehrer ist und private Nachhilfe für besonders begabte Schüler gibt. Ich wundere mich immer, wie man das alles unter einen Hut kriegt. Nach dem unterhaltsamen Abend mit gutem Essen und Wein fuhr er uns dann in seinem 30 Jahre alten Mercedes ( mit wieder 95% Originalteilen, wie er stolz verkündete) nach Mitternacht zurück.
Heute am Sonntag haben wir‘s ruhig angegangen, ausgiebig gegen 10.00 Uhr gefrühstückt. Gegen Mittag schleppte uns dann Stefan unser WG- Mitbewohner in einen einheimischen Mercado zum Ceviche essen. Chevice ist in Limette fermentierter Fisch mit Zwiebel und Kardamom und dazu Süßkartoffel. Ähnliches habe ich schon auf Fidschi sehr gern gegessen. So saßen wir denn inmitten des Trubels des Marktes an einem 2 Quadratmeter Stand, in dem sich 5 Köche drängelten unter den Peruanern auf Hockern und aßen für 8 Soles Chevice. Geschmeckt hat es sehr gut und das Flair war toll. Wenn ich da jetzt noch ohne Darmprobleme durchkomme ist es perfekt. Vorsichtshalber versammelte sich die WG dann zum Kaffee in der Gemeinschaftsküche und tranken einen Pisco, der evtl. durchgerutschten Keimchen den Garaus machen soll.
Direkt vor unserem Haus zog am Nachmittag eine der hier häufigen Prozessionszüge vorbei. Es war die Verehrung einer Christusstatue, die als einzige aufrecht stehend ein großes Erdbeben überstanden hatte und seitdem als Schutzheiliger gegen Erdbeben verehrt und einmal im Jahr durch die Straßen getragen wird. Wir sahen dem Spektakel eine Weile zu.
Danach verschwand jeder in sein Kämmerchen, ich schrieb wieder mal Mails, bastelte an der Schulhomepage rum und nahm mir Zeit für mein Tagebuch, welches hiermit wieder auf aktuellem Stand ist. Nur zum Einarbeiten der Bilder in den Blog bin ich noch nicht gekommen. Aber mit peruanischer Gelassenheit verschiebe ich das jetzt auf die nächsten Tage, weil ich jetzt (19.30 Uhr) erst mal zum Essen kochen in die Gemeinschaftsküche verschwinde - es gibt Kartoffelbrei und Chorizzos.